Sonntag, 27. November 2011

Salar de Uyuni (Suedwest-Bolivien)












































































Nachdem am vergangenen Mittwoch die Rede davon war, dass nichts mehr ging ergab sich dann doch etwas. Am Nachmittag ging ich mit Shlemil zum Busterminal. Wir waren beide der Meinung, nur weil es morgens um 8 Uhr heisst, dass keine Busse fahren, muss dies nachmittags nicht genauso sein. Das hier ist immerhin Bolivien.

Also versuchten wir es und siehe da, einige andere Backpacker hatten ein Unternehmen gefunden, das in der Nacht einen Bus nach Uyuni schicken wuerde. Allerdings nicht ueber die gewoehnliche Route, die war ja bestreikt, sondern ueber die Strasse, dann allerdings ueber einen Abstecher, genauer gesagt ueber einen Teil des Salzsees. Bei dem Gedanken an eine Busfahrt ueber so unwirtliches Gelaende wurde mir mulmig, dazu nachts bei den Hoehen von bis zu 4.600 Metern. Aber wir waren schliesslich mit mehreren Reisenden, wenn also etwas passieren sollte waeren wir nicht auf uns allein gestellt.

Abends um 23.45, mit gerade mal 45 Minuten Verspaetung, verliessen wir Oruro. Der Bus sah eher aus, als sei er fuer die Strecke zwischen Hannover und Berlin geeignet (maximal) als fuer eine 10stuendige Fahrt durch die naechtlichen Anden. Die Fahrt war dann auch sehr rau und kalt, dazu roch es extrem unangenehm. Nein, es stank ohne Ende. Und trotzdem, irgendwann nickten wir ein und morgens um 10.30 waren wir endlich, endlich in Uyuni.

Uyuni hat etwa 20Tausend Einwohner, und fast alle sind nur dafuer da, die Touristen zu versorgen bzw Touren zum Salar de Uyuni anzubieten. Der Salar de Uyuni ist die groesste Salzwueste der Welt, mit ueber 10.000 Quadratkilometern auf 3.600 Metern Hoehe zudem eine der surrealsten Landschaftsformen, die man zu Gesicht bekommen kann. Vielleicht ist er auch das verrueckteste, was ich je gesehen habe.

Am Mittwoch buchten wir mit mehreren Backpackern eine 3taegige Tour durch den Salar und den Suedwesten in zwei Jeeps. Wir, das waren Shlemil, Itay und Or aus Israel, Ashmir aus Indien, Anna und Kristian aus Daenemark, Silvia aus der Schweiz, Christian aus Neumuenster und meine Wenigkeit.

Am Donnerstagmorgen um halb elf ging es schliesslich los. Als erstes zu dem Cementerio de Trens, dem Zugfriedhof. Gleich am Eck von Uyuni stehen ein paar ausgediente, vor sich hin rostende Zuege. Danach zeigte uns ein alter Herr in einem angrenzenden Dorf, wie das Salz produziert, bwz wie es fuer den Verbrauch vorbereitet wird. Und endlich ging es auf den Salar selbst. Auf dem Weg sahen wir Lamas und Alpacas, und unser Fahrer Marcelo erklaerte uns den Unterschied zwischen den beiden. Lamas haben eine laengere Schnauze und einen laengeren Hals, Alpacas bieten mehr Wolle. Eine nette Anekdote zu Marcelo: als wir die Tour buchten, war uns wichtig einen Fahrer zu erhalten, der etwas englisch spricht, damit wir in den drei Tagen auch verstehen, was wir dort zu sehen bekommen. Wir gingen zum Jeep, bepackt mit unseren Rucksaecken, und Shlemil fragt Marcelo: "Which jeep is ours?" Und Marcelo guckt ihn an und schuettelt den Kopf. Nicht mal das verstand er. Trotzdem kamen wir in den Tagen gut mit ihm aus, zumal er im Gegensatz zu manch anderem nuechtern und ausgeruht hinterm Steuer sass. Ein Jeep einer anderen Gruppe hatte eine Panne. Statt das Auto zu reparieren fing der Fahrer an zu weinen, stank nach Alkohol und meinte "die anderen Fahrer moegen mich alle nicht, ich bin alleine..." Dann warf er die Rucksaecke vom Dach, ging weg, kam wieder... und floh am Samstag mit einigen anderen Travellern ueber die Grenze nach Chile. Das klingt verrueckt, war es auch. Ist aber so passiert! Esta Bolivia, todo esta possible...

Auf dem Salar zu fahren war eine unglaubliche Erfahrung, er besteht soweit das Auge reicht nur aus achteckigen, metergrossen Salzpaletten. Platten die strahlen wie Schnee. Wenn man aber daran kratzt und es probiert, schmeckt man es: Salz. Diese surreale Landschaft mit einer Insel meterhoher Kakteen mittendrin bietet noch einen Vorteil: man kann unglaubliche Fotos schiessen. Ihr seht einige oben, durch die Entfernung und die rein weisse Umgebung mit dem strahlend blauen Himmel ergeben sich viele, viele Moeglichkeiten fuer verrueckte Ideen. Stundenlanger Spass.

Abends schliefen wir in einem Hostel am Rande des Salar. Das Gebauede ist komplett aus Salz errichtet, wohl das erste und vielleichte letzte Mal in meinem Leben, das ich auf gehaerteten Salzbloecken schlief. Die Nacht war kalt und merkwuerdig, mitten in der Nacht wachte ich auf, weil Anna in daenisch Vortraege hielt, im Schlaf wohlgemerkt. Dann stand auf einmal der kleine Hund vom Hostelbesitzer in unserem Zimmer, mitten in der Nacht. Aber irgendwann schlief ich doch.

Am naechsten Morgen ging die Tour weg vom Salz in die Wueste, in Richtung Chile. Und im Laufe des Tages sahen wir sehr viele, extrem unterschiedliche Landschaftsformen. Wueste aus Sand, Wueste aus Gestein, flache Andenebenen zwischen 6000 Meter hohen Bergen und zahllose Lagunen, die blau, gruen und sogar rot strahlten. Und wir sahen vor allem frei lebende Flamingos, die hier leben. Drei Arten kommen hier vor, eine davon nur hier und im noerdlichen Peru. Es war fantastisch, man muss es sehen um es nachzuvollziehen. Auch an diesem Abend ging es in ein Hostel, wo wir bei Spaghetti und Lamafleisch den Tag enden liessen. Auf die Frage wie es denn schmeckt, wuerde ich sagen: nicht uninteressant. Aber sehr zaeh, nichts fuer Leute mit dritten Zaehnen.

Am Samstag klingelte der Wecker um halb fuenf morgens, damit wir den Sonnenaufgang auf einem Vulkankegel mit aktiven Geysiren erleben konnten. Es war sehr kalt auf ueber 4000 Metern Hoehe, um die 0 Grad. Dazu due Muedigkeit, und kein Fruehstueck. Aber die Belohnung fuer diese Muehen war unwirklich, unglaublich. Vor uns zig brodelnde, laute, zischende sprudelnde Geysire, die Schwefeldampf und Schwefelbrocken an die Oberflaeche schleudern. Tagein, tagaus, 365 Tage im Jahr. Und durch den Rauch geht die Sonne auf, erstrahlt alles in ein weiss, das sich gegen das matte grau-braun der Wuestenberge im Hintergrund abhebt. Auch hier koennen die Fotos nur andeuten, wie es ist. Mehr geht leider nicht.

Dann fuhren wir schliesslich zu einer heissen Quelle, wo wir in natuerlich geheiztem 30 Grad heissem Wasser ein kurzes Bad nahmen. Dann gab es Fruehstueck, Pfannkuchen und Obst, mit Blick auf den See, im Hintergrund schneebedeckte Berge, im Vordergrund Nahrung suchende Flamingos. Wie gesagt, mehr geht nicht.

Darauf fuhren wir zur Grenze nach Chile, wo ich mich leider von Shlemil verabschieden musste, der dort weiter reist. In den vier Tagen, seit wir uns trafen, wurden wir fast schon Freunde. Ganz lustig, beim Fruehstueck machte ich ein Video von ihm, eine Art "Shlemil sagt Auf Wiedersehen..." Und er sagt in meine Kamera: "Well, I hope you will join me today into Chile. You have still one hour to decide. Otherwise I visit you in Hamburg, or no no, come to Israel, I have a flat screen living room and some weapons in case Gaza opens again..." Eine Anmerkung zu den drei Israelis: es war sehr spannend, welche Fragen mir die drei stellten. Sie sind immerhin 23 bzw schon 29 Jahre alt, aber vieles ueber meine Generation von Deutschen ist fuer Israelis kaum bekannt. Das heisst nicht, dass wir immer noch alle Nazis sind. Es heisst aber, dass sie keinerlei Ahnung haben, wie die Meinung junger Menschen zu Israel und unseres Verhaeltnisses abseits aller politischen Schuld wirklich ist. Sie waren glaube ich ganz erleichtert zu hoeren, dass wir weder alles beschoenigen noch alles verurteilen, sondern eher fair einschaetzen, was Israel so treibt, genauso wie wir es mit anderen Staaten tun wuerden. Dennoch ist ihr Leben zu hundert Prozent von den Konflikten gepraegt, Itay und Or haben gerade ihren DREIjaehrigen militaerischen Pflichtdienst beendet. Drei Jahre fuer Jungs, anderthalb fuer Maedels. Fuer alle, Pflicht. Kein Entkommen...

Nach dem Tschuess an der Grenze folgte eine lange, laaaange Fahrt ueber raue Wege. In drei Tagen kein Asphalt, trotz der tollen Erlebnisse ist das anstrengend. Nichts desto trotz wurden zwei von uns nochmals aktiv. Itay ist ein begabter Kletterer. Bei unserem letzten Stop sahen wir zerklueftete Felsen in der Wueste, und er begann einen hochzuklettern. Es sah zu aufregend aus, um es nicht auch zu probieren. Hoch war es einfach, aber oben angekommen, vielleicht sechs Meter hoch, fiel mir auf, dass ich ja auch wieder runter muss. Aber mit seinen Anweisungen ging es dann doch ganz gut, es hat Spass gemacht. Und das Foto, auf dem wir oben im Felsen sitzen, war die Muehe wert.

Und am Samstagabend kamen wir um sechs Uhr wieder in Uyuni an, assen noch zusammen und dann hiess es Auf Wiedersehen. Alle von uns fahren in andere Richtungen, manche nach Paraguay, viele nach Argentinien. Kurzzeitig hatte Anna ueberlegt, mit mir nach La Paz zu kommen, aber sie muss schon in vier Wochen zurueck in die Heimat und deswegen fehlt es leider an Zeit. Deswegen fahre ich heute Abend wieder mal Bus, allerdings in einem bequemeren Fernbus fuer etwas mehr Geld. Morgen komme ich dann in der Hauptstadt La Paz an. Dort will ich mich etwas erholen und ein wenig Leute kennen lernen, einkaufen, Waesche waschen lassen. Ins Kino gehen. Das Privileg geniessen, in einer Grossstadt zu sein. Und dann werde ich nach Norden in den Nationalpark de Madidi reisen, wohl mit einem Kleinflugzeug, um das Amazonasbecken, also richtigen Regenwald, naeher zu erleben.

Bis bald und ich hoffe, ihr moegt die Fotos

1 Kommentar:

  1. Alter, die Fotos sind der HAmmer und der text echt spannend und beeindruckend. Freu mich sehr, dass es dir da unten soi gut geht und du offenbar immer wieder auf nette Leute triffst : )

    Pass auf dich auf in La Páz!

    Beste Grüße

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