Donnerstag, 8. Dezember 2011

La Paz und im Regenwald (Bolivien)


















































Hola.

Es gibt sehr viel zu erzaehlen. Spinnenbiss, merkwuerdige Fluege, Bettwanzen, Affen im Dschungel... aber der Reihe nach.

Am vorletzten Montag kam ich in La Paz an, Boliviens Hauptstadt. Der erste Anblick der Stadt war atemberaubend, durch die Lage in einem Talkessel auf 3600 Metern Hoehe scheinen die Strassen und Haueser die Berge hinabzufliessen. Die Luft hier wirkt noch duenner als in Uyuni, die Abgase und die dreckige Luft der 1,5 mio Einwohner machen das Atmen in dieser Hoehe zusaetzlich schwer. In der Woche besuchte ich die Kirche "San Francisco", hatte eine lustige Nacht in einem englischen Pub mit live Musik, liess meine Waesche zum ersten Mal seit drei Wochen waschen und erstieg einige der Huegel rundherum, um die Szenerie von oben zu sehen.

Am Freitag nachmittag fuhr ich dann mit einem Taxi zum Militaerflughafen in El Alto. Und dort stand eine kleine Maschine mit zwei Propellern, die mich und ein paar andere Leute nach Rurrenabaque im tropischen Norden des Landes fliegen sollte. Beim Besteigen des Flugzeugs fiel auf, dass es eine ausgediente Militaermaschine war. So sassen einige rueckwaerts, da es teilweise Vierersitze (wie in unseren Linienbussen) gab. Ausserdem gab es ueber den Sitzen Haken zum Einklemmen von Fallschirmen. Die "Stewardess" ging nur einmal durch den Gang und suchte etwas unter den Sitzen, ich weiss nicht was. Und dabei hoerte sie Musik ueber ihren mp3-player. Der Flug dauerte 55 Minuten, war ueber den Anden sehr turbulent. Aber ueber dem Amazonasbecken aufregend, so sah ich dort den Regenwald und den ihn von nord nach sued durchfliessenden Rio Beni von oben. Dschungel. Das sollte also mein Abenteuer werden. Wir landeten auf einer Graspiste und spaetestens von nun an war die Zivilisation beendet.

In Rurre, wie es seine Bewohner nennen, angekommen, boten sich mir zwei Optionen: entweder ich buche eine touristische Tour in die Pampas, wie es 95% aller Backpacker machen, die sich hier her verirren. Oder ich tue etwas aufregendes und gehe in den richtigen, tiefen Dschungel. Da ich nicht auf ausgetretenen Pfaden laufen wollte, entschied ich mich fuer den Dschungel. Das war allerdings komplizierter als erwartet. Touranbieter machen keine Touren fuer Backpacker mehr, es gibt nur sehr teure, sog. "Eco-Lodges", also Hotels im Regenwald. Die kosten zum einen ein Vermoegen, zum anderen ist dies nicht unbedingt meine Vorstellung von Dschungel-Abenteuer. In einer Lodge wie in einer Art Spa hocken und alles serviert bekommen. Nein, ich wollte was richtiges erleben.

Am Abend traf ich dann Adrian und Jessica aus Australien und Patty aus Holland, die auf der gleichen Suche waren. Dank Pattys gutem Spanisch konnten wir schliesslich herum fragen und fanden Juan, einen Einheimischen, der fuer wenig Geld Interessierte fuer drei Tage tief in den Dschungel begleitet. Nachdem wir ein Papier unterschrieben, dass wir ausdruecklich freiwillig in das Gebiet des Parque Nacinal Madidi eindringen und dass wir nichts zuruecklassen wuerden, also weder Muell noch sonst irgend welche Spuren, bezahlten wir und freuten uns drauf. Am Abend tranken wir darauf ein paar Biere in der "Moskito Bar".

Samstag frueh um 8 Uhr bestiegen wir ein Kanu mit Motor und Juan sowie zwei weitere Maenner aus dem Dorf fuhren mit uns den Rio Beni hinauf nach Norden. Auf dem Weg kamen wir an hohen, gruenen Bergen vorbei, Papageien flogen ueber den Fluss. Es war wie in einem Indiana Jones Film. Oder, ganz einfach gesagt, der Urwald sieht so aus, wie man sich ihn vorstellt. Die Geraeuschkulisse sollte uns von nun an drei Tage begleiten: schwirrende Moskitos ueberall, Grillen zirpten den ganzen Tag und die ganze Nacht, Voegel kreischen, es raschelt in den Waeldern. Aufregend.

Nach drei Stunden erreichten wir unseren Zielort mitten im Madidi Nationalpark. Dort wanderten wir ueber Baeume, die als Bruecken dienten und piranha-belebte Fluesse in unser Camp. Es gab ein paar Holzhuetten mit Moskitonetzen sowie viele Baeume mit Haengematten, das war alles. Kein Strom, Wasser aus einer Regenwassersammelstelle. Willkommen im Urwald.

Am ersten Nachmittag wanderten wir dann mitten hinein in den Regenwald. Mit seiner Machete schlug uns Juan immer neue Wege durch den tiefen Busch. Komischerweise gab es hier viel weniger Insekten und dankenswerter Weise auch Moskitos als am Wasser. Abends assen wir Fisch, den die Maenner nachmittags gefangen hatten. Und dann gingen wir gegen neun Uhr abends nochmals mitten in den Dschungel. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht war unglaublich gross, es wirkte unheimlich, wir sahen Spinnen, eine Riesenschildkroete und Affen sprangen ueber uns durch die Baeume.

Am Sonntag wanderten wir abermals durch den Wald, kletterten u.a. ueber zehn Zentimeter schmale Stege, um nicht in von Alligatoren bewohnte Baeche zu fallen und nutzten einige der Lianen, um zu schaukeln. Mitten am Nachmittag begann es fuerchterlich zu regnen, Regenwald heisst nicht umsonst Regenwald. Die Abkuehlung tat aber ganz gut, bei einer Luftfeuchtigkeit von ueber 85 Prozent ist jeder Schritt harte Arbeit, jedenfalls fuer uns vier Backpacker. Juan schien alles nichts auszumachen, er wuchs im Regenwald auf.

Gegen Abend gingen wir an den Rio Beni zurueck und versuchten, Piranhas zu angeln. Leider hatten wir wenig Erfolg, aber der Sonnenuntergang und die ploetzlich ueber uns hinwegfliegenden roten Aaras entschaedigten dafuer. Abends brieten wir das in Rurre gekaufte Huehnerfleisch ueber dem Lagerfeuer und schliefen zur Akkustuik des Dschungels draussen in den Haengematten, mit Moskitonetz versteht sich.

Der Montag sollte eigentlich ganz entspannt werden, Juan zeigte uns vormittags, wie man aus den Materialien im Wald, Holz und Fruechten sowie Blaettern Werkzeug und Schmuck herstellen kann. Aber auf dieser Reise scheine ich das Pech "an den Fuessen kleben" zu haben. Ich hatte meine Schuhe unter einer Bank, sicher vor dem wieder zurueck gekehrtem Regen, abgestellt. Als ich den linken Schuh anziehe, bewegt sich etwas an meine Fuss, und dann beisst es zu. Als ich den Schuh umdrehe faellt eine Spinne heraus, schwarz, etwa so gross wie ein 2 Euro Stueck. Bevor ich reagieren konnte war sie aber schon im tiefen Gras neben der Bank verschwunden. Ich war erst so geschockt, dass ich gar nicht reagierte. Dann aber fing es an zu brennen und weh zu tun, es blutete ein wenig und ich geriet leicht in Panik. Es gibt hier so viele verschiedene Arten von Krankheiten, die durch Tierkratzer- oder Bisse aller Art uebertragen werden, dass selbst die Leute im Tropeninstitut in Hamburg zu mir sagten, "im Dschungel helfen Impfungen sowieso nur in Massen, die Erreger werden inzwischen zu schnell immun". Und nun sass ich da mit einem Spinnenbiss am Fuss.

Ich bat Patty hektisch, Juan zu erklaeren was passiert sei, mein Spanisch ging durch die Panik komplett floeten. Er reagierte gelassen und sagte als aller erstes folgende Worte: "alles okay, amigo, du wirst nicht sterben." Dann aber sah er sich den Fuss doch ein wenig besorgter an, ging dann mit einem Messer fuer ein paar Minuten in den Wald und kam mit Aesten wieder. Er schnitt sie auf, und rieb den Saft ueber die Wunde. Es brannte furchtbar, dann aber kuehlte es tatsaechlich. Alle zehn Minuten kam er danach zurueck und fragte, ob es schlimmer wuerde. Aber es blieb immer gleich, das Brennen liess nach aber im Fuss tat es gleichmaessig weh.

Nachmittags fuhren wir durch den Regen zurueck nach Rurre, wieder im Kanu. In Rurre angekommen ging Juan sofort mit mir zu einem Arzt, der sich den Fuss auch noch einmal ansah. Leider habe ich wie schon gesagt nicht gesehen, was fuer eine Art Spinne es war, insofern hatte ich grosse Sorgen. Aber beide Maenner sagten mir, dass sie nicht giftig gewesen sein wird und auch sonst wohl keine Krankheit zu befuerchten sei. Als ich mit ihnen aus dem Haus kam warteten meine Mitreisenden draussen im stroemenden Regen auf mich. "What are you doing here, go into a dry hostel and take a shower..." sagte ich. "What the fuck? You got bit by a spider, come on man, we wanted to check if you re allright" kam es von Adrian zurueck. Die drei waren wirklich sehr besorgt, nun aber genau wie ich erleichtert dass es offenbar nicht ganz so schlimm wuerde.

Abends assen wir gemeinsam und trafen Keith aus Berlin, der die Pampa-Tour gemacht hatte. Wie erwartet war diese sehr touristisch und zwar auch toll, aber wenig aufregend gewesen. Nun, ueber mangelndes Abenteuer konnten wir vier uns nicht beschweren. Als ich am Dienstag aufwachte, klebte ein kleines Tier auf meinem Bein. Es hatte laengst zugebissen, das konnte doch nicht wahr sein. Aber als ich nachsah war es "nur" eine sogenannte Bed-Bug, in deutsch Bettwanze. Die Viecher sind mir noch aus Australien bekannt, in billigen Hotels beleben sie gerne die Betten und quaelen Leute wie mich. Na dankeschoen. Wenigstens hatte mich nur eine gebissen, was fast ein Wunder ist da sie normalerweise in Schaaren auftreten.

Dienstag ruhte ich mich in Rurre aus, ich bekam Probleme mit dem Bauch und auch sonst war ich ziemlich schlapp. Meine drei Mitreisenden fuhren weiter, ich verabschiedete sie am Bus. Nach dem, was wir zusammen gesehen hatten, fiel der Abschied sehr herzlich aus und wenigstens Jessica werde ich vielleicht zu Weihnachten in Peru wieder sehen, da sie wahrscheinlich zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt sein wird. Das waere toll, alle drei waren super offene, entspannte und herzensgute Leute. Abends ass ich dann mit Keith zusammen.

Am Mittwoch flogen wir beiden zurueck nach La Paz, wieder in einer ausrangierten Militaermaschine. Menschen mit Flugangst: falls ihr mal einen Inlandsflug in Bolvien macht, waehlt lieber nicht die Gesellschaft "TAM". Kurz vor dem Start sahen Keith und ich links aus dem Fenster, und was passierte? Einer der Piloten kletterte eine Trittleider hoch und goss mehrmals Oel oben uber dem Propeller per Hand ein. Alles ein wenig urtuemlicher. Das Fliegen geschieht komplett manuell, so stoerte es auch niemanden, dass WAEHREND (!) des Starts ein Handy klingelte und der Angerufene ganz nonchalant antwortet "Hola? Si si, soy en aeroplano a La Paz..." Unglaublich, aber so passiert.

Nun bin ich also in La Paz und ruhe mich aus, fuehle mich noch nicht ganz fit und irgendwie merkwuerdig, was aber auch daran liegen mag, dass sich mein Koerper nun vom tropischen Regenwand wieder an trockene, 3.600 Meter hohe Hoehenluft gewoehnen muss. Einen groesseren Unterschied zum Atmen gibt es kaum. Meinem Fuss geht es aber schon besser, tut kaum noch weh. Mein Kopf fragt sich jedoch immer noch, was so eine Spinne alles mit sich herum schleppt.

Am Samstag fahre ich dann, wenn alles gut mit mir ist, mit dem Bus die kurze Distanz nach Copacabana und von dort reise ich weiter auf die Isla del Sol, wo laut Legende die Inka-Kultur ihren Anfang nahm: mitten auf dem weltberuehmten TITICACA-SEE...

Weihnachten werde ich, wie es aussieht, in Peru, genauer gesagt in Arequipa verbringen. Aber vorher melde ich mich hier bestimmt noch mal wieder.

Wuensche euch allen eine gute Vorweihnachtszeit. Auch wenn ich mir kaum vorstellen kann, wie es ist durch den dunklen Dezember zu laufen. Alles hier ist so ANDERS als bei uns...

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