Samstag, 19. November 2011

Hauptsache wir kommen irgedwann an... oder: Das war ne Scheiss Idee!




















Hola aus Santa Cruz bei 38 Grad zur Mittagszeit. Ich bin nun wieder 5 Std hinter Deutschland zurueck...

Wenn euch jemals jemand fragt, wie er von Asuncion nach Bolivien reisen soll. Und er zwei Moeglichkeiten hat, entweder die "direkte", aber sehr abenteuerliche Route von Asuncion durch den paraguayanischen Chaco, das Buschland, nach La Paz, oder den "Umweg", dafuer den sichereren Weg ueber Nord-Argentinien an die Suedgrenze von Bolivien; darf ich euch bitten, dass ihr ihm den Umweg empfehlt?? Ansonsten hoert ihr von ihm eines Tages eine huebsche Anekdote zum Thema Busfahrt von Paraguay nach Bolivien... :

Am Donnerstagabend um 19 Uhr soll der Bus der Gesellschaft Pycasus nach Santa Cruz fahren. Der Bus ist nicht da. Um 20 Uhr kommt ein Bus, von dem ich denke "das kann nicht meiner sein, das kann nicht meiner sein, nicht fuer 24 Stunden. Nein." Es ist meiner, die Leute rumpeln an Bord. Um 21.30, mit gerade mal 2 einhalb Stunden Verspaetung, fahren wir los. Der Sitz ist bequemer als er aussieht, aber die Armlehnen sind kaputt. An Bord nur Leute aus Paraguay, alle ueber 40, die meisten zwischen 50 und 60 Jahre alt. Ich werde sehr irritiert angesehen, was will DER denn im Bus? Ein Gringo tut sich das an? Komisch! Ich trage mein T-Shirt vom Film Pulp Fiction, ein Mann um die 50 mit Brille zeigt darauf. "Adolfo Hitler?" Ich sage entschieden "No!" Er lacht zu den Frauen seiner Familie. "No no no..." Das Eis ist gebrochen, nun wissen sie dass ich Deutscher bin.


Die Fahrt wird sehr rau, sobald wir ausserhalb der Hauptstadt sind. Ab Mitternacht beginnen wir zu schlafen. Um etwa 2 Uhr nachts wache ich auf. Wir stehen. Vorne qualmt es. Die beiden Fahrer und der "Conductorio" sind ausgestiegen und arbeiten am Motor. Ich befuerchte das Schlimmste. Es sind noch 1.300 km bis zum Ziel, auf schlechtesten Strassen, in Bolivien oft ohne Asphalt. Wie soll das gut gehen?


Nach anderthalb Stunden geht die Fahrt tatsaechlich weiter. Wahnsinn. Der Motor erinnert an einen Trabant, was die Geraeusche betrifft. Aber alle anderen Leuten schlafen, es scheint Gewoehung zu sein. Um 6 Uhr morgens werden wir geweckt. Passkontrolle und Ausreise aus Paraguay, obwohl die Grenze noch vier Stunden entfernt ist. Aber ab hier gibt es nichts mehr, nicht mal einen Grenzposten. Raus aus dem Bus, warten. Jeder wird einzeln aufgerufen. "Mariooos" hoere ich nach wenigen Minuten. Rein ins Kabuff. Die Frau fragt: "Aleman?" "si, aleman." "Oliver Kahn, me gusto futbol." Ausreisestempel. Wieder rein in den Bus. Versuchen zu schlafen. Um acht Uhr wache ich auf, die Strasse ist keine Strasse mehr. Es ist festgefahrener Sand. Um uns nichts, Geier kreisen. Kein Witz. Wehe der Bus bleibt wieder liegen... Die Leute erwachen, offiziell sind wir zwar in Paraguay. Aber noch keine Grenze. Um 10 Uhr zwei Stunden Warten, Gepaeckkontrolle. Alle Rucksaecke und Taschen raus aus dem Bus, in den Sand. Jeder wird befragt, auch ich.


"Fuehren Sie Drogen nach Bolivien ein?"

"Nein."

"Rauschmittel?

"Nein."

"Obst, Gemuese, Brot?"

"Ja, Obst von gestern Abend. Ich esse es im Bus."

"Also fuehren Sie Obst ein?"

"Ja, zwei Bananen. Fuer den Bus."

"Sie fuehren Rauschmittel nach Bolivien ein, richtig?"

"Nein."

"Sie widersprechen sich, Senor."

"Nein..."


Alles halb so wild, sobald sie merken dass ich nur Tourist bin interessieren sie sich kaum noch fuer mich. Nach zwei Stunden weiter, die Strasse keine Strasse mehr. Schlagloecher, unterborchen von zehn Metern Erde. Wie es hier wohl NACH der Regenzeit aussieht? Um halb eins mittags Grenzposten, wieder alle raus aus dem Bus. Vor mir eine dickliche Frau. Das Grenzhaueschen hat keine Tuer. Die Frau hat ihr Visum ueberschritten. Der dicke Grenzbeamte sagt ganz nett zu mir "Por favor, Senor..." Ich solle doch bitte zwei Schritte hinaustretenl, um ihm und der Dame Privatsphaere zu verschaffen. Dann schreit er sie an, ich verstehe nicht viel. Sie laechelt, sagt nur "Bitte, Senor...". Aber dann wechseln US-Dollars ueber den Tisch, nicht viele. Sie darf passieren, wie einfach. Bei mir ist es einfacher, ich bekomme einen Stempel mit einer Aufenhaltsgenehmigung fuer 30 Tage. Ich werde laenger bleiben, aber in La Paz kann man die Genehmigung kostenlos verlaengern. Heisst es. Dann darf ich gehen. Es hat 41 Grad, es ist schwuel. Wir fahren weiter. Nach zwei Minuten militaerische Kontrollstelle.

Alle aussteigen. Pass vorzeigen. "Fuehren Sie Waffen ein?" "Nein, ich bin nur Tourist." Ok, dann ist alles in Ordnung. Nach fuenfzehn Minuten wieder alle rein in den Bus. Weiter.

Am Strassenrand wilde Kuehe, duenner als ich im letzten Jahr nach meinem kaputten Bauch. Viele Ziegen. Armes Land, aermstes Land in Suedamerika. Und so reich, was die Landschaft angeht. Nach zwei Stunden am Horizont, links von uns, die ersten Auslaeufer der Anden. Schon hier gibt es mehr zu bestauen als in einer Woche in Paraguay.

Es wird essen serviert, zum dritten Mal seit gestern Abend. Haehnchen-Stuecke mit Reis. Draussen wird es dunkel. Offiziell sollte die Fahrt maximal 24 Stunden dauern... Wir halten an, alle Fahrer und unser Servierer steigen aus. Oeffnen Gepaeckluken, schliessen sie wieder. Es dauert und dauert. Auf dem Fernseher wird zum dritten Mal am Stueck "Hannibal" von DVD gezeigt, englisch mit spanischen Untertiteln. Ist aber egal, weil der Ton kaputt ist. Zum dritten Mal machen die Frauen "iiiiiiiieh", als Anthony Hopkins das Gehirn roestet und serviert. Ich habe zum Glueck Radiohead und Modest Mouse im Ohr, versuche zu schlafen.

Meine Blase meldet sich, das Klo an Bord hat weder Wasser noch Licht. Zum dritten Mal in 24 h entschliesse ich mich, zu Gehen. Drei Mal an einem Tag, vllt negativer Rekord.

Es dauert, mein rechtes Bein spuere ich seit einem halben Tag kaum noch. Draussen wird es helll, Lastwagen, Chaos. Strassenverkauefer, Tausende Marktschreier. Santa Cruz. Ortszeit 1.30. Die nordoestlichste Grossstadt in Bolivien, naeher an Brasilien als an der eigenen Hauptstadt. Aussteigen. Ueberlebt. Der Conductore holt den Rucksack unten aus dem Gepaeckfach, er ist nicht mehr rot sondern grau. Voller Sand. Er schlaegt ihn mit einem Handtuch sauber. Zu Fuss zum Geldautomaten. Uhr zurueck stellen. Ein Hotelzimmer, nicht sauber, aber gross, mit eigenem Bad und warmer (!) Dusche. Himmel auf Erden. Duschen. Wissen, dass man gerade mal 8 Euro fuer dieses Zimmer zahl. Aufs Bett legen, die Beine das erste Mal seit zweieinhalb Tagen hochlegen. Ueberrascht feststellen, dass man ueberlebt hat. Mit dem Bus. Ueber die Strecke. Etwa 24 Stunden sollte es dauern. Es wurde fast 30 Stunden. Im Bus.

Noch einmal werde ich das nicht tun. Nur noch tagsueber in diesem Land mit dem Bus, maximal 10 Stunden. Das muss reichen fuer das harte Reisen. Ich moechte schliesslich irgendwann auch wieder zurueck in die "erste" Welt, nach Chile...

Heute also in Santa Cruz, morgen fahre ich nach Cochabamba, von dort in die Anden auf 3.600 Meter Hoehe nach Oruro. Und von dort moechte ich mit dem Zug nach Sueden, um am Ende der Woche endlich den Salzsee "Salar de Uyuni" zu sehen.

PS: es gibt Videos von der Fahrt, auch von den Wasserfaellen. Sobald eine Verbindung das aushaelt, werde ich sie hier dazu laden. Bis dahin geduldet euch bitte noch ein wenig...

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