Freitag, 6. Januar 2012

Machu Picchu







































































Foto unten rechts: seit gestern mein staendiger, angenaehter Begleiter: der Che...





Hey,

da bin ich also wieder. Bevor ich vor fast drei Monaten hier her flog, hatte ich einige "Must Do s" im Hinterkopf, zu denen Machu Picchu komischerweise nicht wirklich gehoerte. Ich kann nicht erklaeren, warum es mich wenig reizte, den "Heiligen Berg" und die Stadt in den Wolken der Inka zu Sehen, aber ich glaube es liegt an der touristischen Athmosphaere, die ich damit immer verband. Man hat MP eigentlich schon satt, bevor man in Peru ankommt. Ueberall in den groesseren Touristenorten in Suedamerika sieht man Abbildungen, Fotos und Postkarten mit MP. Es erinnert mich ein wenig an den Umgang der Australier mit Ayers Rock. Aber waehrend der letzten Wochen und Monate fragte ich alle Backpacker, die ich traf und die schon in Peru waren, ob es sich denn lohne, MP ueberhaupt zu sehen. Es sei doch so ein Klischee. Und die Antwort war immer: "Hell yes. Es gibt einen Grund, warum alle dorthin fahren..."


Am Dienstagmorgen um acht Uhr ging ich auf einen schaebig wirkenden Hinterhof irgendwo oestlich der Plaza de Armas in Cusco. Dort starten die "Collectivos", japanische und koreanische Vans, eine Art Sammel-Taxi. Ich stoerte den Fahrer beim Fruehstueck, er sass in einer Baracke neben dem leeren Minibus. "Ollanta?" fragte er mich, ich sagte "Si, para ahora" (Ja, jetzt losfahren) und er stand auf, rannte auf den Buergersteig und schrie mit schriller Stimme "Ollanta, Ollanta, vamos ahora, Ollanta..." Ich musste lachen, aber der Mann verstand sein Handwerk. Ich habe keine Ahnung, WO all die Menschen herkamen, aber auf sein Rufen sammelten sich innerhalb von zehn Minuten fast zwanzig Einheimische am Bus, die auch nach Ollanta wollten. Und schliesslich fuhren wir los. Fuer die neunzigminuetige Fahrt bezahlte ich nachher lediglich 15 Soles, knapp 4Euro50. Fuer eine Touristentour haette ich das vierfache hingelegt. Die Fahrt laesst sich fuer europaeische Verhaeltnisse trotz sicherer Ankunft in Ollanta nur mit "chaotisch" beschreiben. Der Fahrer fuhr oft vor Kurven LINKS, um jedem vor ihm anzuzeigen, dass er ja EIGENTLICH schneller ist als alle anderen und sie EIGENTLICH jederzeit ueberholen koennte. So oft es ging, tat er auch genau das, gerne drei Busse am Stueck, waehrend uns ein riesiger LKW entgegen kam. Aber das ist die lateinamerikanische Fahrweise, inzwischen bin ich mir trotz Malaria und Diebeswarnungen sicher, dass genau diese Eigenschaft das Gefaehrlichste auf meiner ganzen Reise war, ist und auch bleiben wird...


In Ollanta wurde es touristischer, mit einem Zug der Gesellschaft "INKA RAIL" ging es fuer fast zwei Stunden an einem wilden Fluss vorbei tiefer und tiefer in Richtung Aguas Calientes, welches genau im Tal unter Machu Picchu liegt. Die Fahrt war trotz der kreischenden, groesstenteils von US-amerikanischen Rentnern gebildeten Touristen-Gruppen dank der atemberaubenden Landschaft, in die wir tiefer und tiefer fuhren, unterhaltsam. Vom Zug aus bekamen wir auch immer wieder einen Blick auf den Inka-Trail, jene viertaegige Wanderung zum Machu Picchu, die ich zu gerne gemacht haette. Aber ganz ehrlich: nach den letzten Wochen und der Malaria sollte ich momentan nicht zu sehr an Berge Besteigen denken (dies sollte ich am naechsten Morgen noch schmerzhaft genug erfahren).


Bei stroemendem Regen kamen wir in Aguas Caliente an. Der Regen war so verheerend, dass ich mir als erstes einen Poncho besorgte. Danach ass ich die vielleicht schlechteste Pizza meines Lebens und dann fand ich ein guenstiges Zimmer fuer die wohl kurze Nacht. Der Ort Aguas Calientes ist nur noch fuer die Touristenschaaren vorhanden, die hoch auf den Berg nach MP stroemen. Ich ahnte das Schlimmste fuer den naechsten Tag, genau deswegen war MP nie oben auf meiner Liste aufgetaucht. Am Abend ging ich rechtzeitig um halb zehn Schlafen, schliesslich hatte ich mir fuer den Morgen danach einiges vorgenommen.


Um fuenf Uhr klingelte der Wecker, und ein Blick aus dem Fenster erhellte meine Stimmung trotz dieser unchristlichen Stunde: kein Regen, nur Wolkenfetzen ueberall. Nach einer Banane und einer kurzen Katzenwaesche marschierte ich dann los, ich wollte MP zu Fuss erklimmen. Die ersten 1,5 km fuehrten nur am wilden Fluss aus dem Ort heraus in Richtung Norden, mit mir einige Backpacker auf dem Weg. Franzosen, Argentinier und auch ein deutsches Paar. Waehrend wir die Strasse entlang gingen ueberholten uns die Busladungen der Touristen, wie unfair. Aber gleichzeitig hatte ich diese grandiose Idee im Kopf: MP muss man sich verdienen, man kann sich nicht einfach vom Hotel abholen und gemuetlich bis zum Eingangstor hochkutschieren lassen. Dafuer ist noch genug Zeit, wenn ich siebzig bin...


Dann bog die Strasse links ueber den Fluss ab und hier begann der 2 km lange steile Inka-Weg hinauf nach MP. Auf diesen 2km ueberwindet man ueber 700 Hoehenmeter, und schon nach etwa einem Drittel war ich fix und fertig. Die duenne Luft, die fruehe Uhrzeit, die Lungen fuellten sich nicht richtig und ich merkte, dass mein Bauch die letzte Zeit mehr abgegeben als aufgenommen hatte. Aber die anderen Wanderer beruhigten mich, als ich merkte, dass sie genauso strauchelten wie ich. Egal, wie alt, ob Mann oder Frau, wir alle kaempften uns Stufe fuer Stufe und Schritt fuer Schritt nach oben. Ich bereute schon alles, als wir ab zwei Dritteln des Weges die Baumgrenze ueberschritten und der Blick auf eine Umgebung frei wurde, wie man sie nur aus "Coffee-Table-Books" oder dem "Geo-Magazin" kennt. In Wolken verhangene, dunkel gruen erstrahlende Berge, die eine merkwuerdige, an spitze Pilze erinnernde Form aufwiesen. Und wir stiegen auf Wolkenhoehe, waren zu Fuss in den Wolken unterwegs. Nur genau dieses "in den Wolken" liess mich wieder Boeses ahnen: wie sollte ich MP sehen, wenn es inmitten von Wolken thronte?


Oben angekommen und das Eingangstor passiert schritt ich dann zur "Huette des Aufsehers". Die Inka errichteten waehrend ihrer Dynastie, also im 14. und 15. Jahrhundert, in jeder Stadt auf dem hoechsten Punkt eine Huette, von wo aus man ALLES im Auge behalten konnte. Polizeiarbeit und Buergerueberwachung vor sechshundert Jahren. Dort kam ich an und sah: fast nichts.



Der Nebel, nein kein Nebel, einfach die Wolken, waren so dicht, dass man den beruehmten gruenen Berg hinter den Ruinen, den man auf tausenden Fotos gesehen hat, nur erahnen konnte. Ich war enttaeuscht, aber zu kaputt mir davon alles verderben zu lassen. Es war erst halb sieben Uhr morgens (der Aufstieg hatte mich etwas mehr als eine Stunde gekostet), ich hatte ja noch einen ganzen Tag Zeit. Also ging ich zur Inka-Bruecke, aber nach zwei Kilometern war der schmale Pfad am Abgrund der Steilwaende gesperrt. Als ich ueber die Absperrung sah, wusste ich, warum. Der Pfad war durch das Regenwasser spiegelglatt und der Weg kaum breiter als einen Meter.



Ich ging zurueck zu den Ruinen selbst. Bei aller Skepsis, die ich vorher hatte: als ich durch die wolkendurchzogenen, vernebelten Steinreste und Gebaeudekomplexe ging, erstarrte ich fast vor Erfurcht. Bis heute ist es nicht ganz sicher, WAS genau Machu Picchu fuer die Inka darstellte. Ob es Sitz des Koenigs war oder eine reine Festungsanlage, niemand ist sich sicher. Doch egal, welche Bedeutung sie hatte, es ist unfassbar, wie die Menschen damals ohne moderne Technik in der Lage waren, so etwas auf dieser Hoehe, so weit weg vom Rest der Welt, zu erbauen. Und so zu erbauen, dass es Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende ueberdauern wird.



Wenige Minuten spaeter begegnete ich einer Gruppe von Lamas, die in der Mitte der Ruinen grasten. Und waehrend ich so durch die alten Gemaeuer schlendere, treten die Wolken mehr und mehr auseinander und die Sonne blitzt durch. Dieser Moment, als sich die Wolkendecke lueftete, und die ganze Ruine mehr und mehr sichtbar wurde, bevor sie abermals in den Wolken, in denen sie sich befindet, verschwand; dieser Moment war alle Muehe wert, die Anfahrt, den Aufstieg, die Muedigkeit und die Kaelte in dieser Hoehe.



Bis zum Mittag, viele Stunden, lief ich in den Ruinen umher und machte einige der besten Fotos, die ich jemals machen konnte. Die Fotos vom Vogel in Front eines Teils des "Condor-Tempels" sind meine Lieblinge...



Leider fing es mittags wieder an, heftigst zu regnen, aber da ich bereits fuenf Stunden hier oben war und mehr und mehr nervtoetende Touristenladungen erschienen, die diese Staette nun in Besitz ergriffen und uns Backpacker verscheuchten, war das auch in Ordnung. Wieder ging ich zu Fuss den Inka-Weg hinunter, was natuerlich einiges schneller ging als hoch. Durch den Regen ging das Hinabsteigen noch mehr auf die Knie. Und da begriff ich, dass ich meinem Bauch dankbar sein musste: er hatte mich vor vier Horror-Tagen Inka-Trail bewahrt, denn das Wetter ist schon seit zwei Wochen hier oben mehr als bescheiden, viel Regen und starke Winde. Alles hat irgendwie doch auch etwas Gutes.



In Aguas Calientes goennte ich mir ein Steak und danach noch ein Stueck Kuchen, bevor es abends um sieben Uhr per Zug nach Ollanta und dann per Collectivo zurueck nach Cusco ging. Diese Fahrt war noch nervenaufreibender als der Hinweg, sass ich doch vorne auf dem Beifahrersitz und konnte so die ganze Pracht einer peruanischen Nachtfahrt aus naechster Naehe erleben. Aber irgendwie ging es wieder mal gut, trotz knapper Ausweichmanoever und Ueberholversuchen an Kurven, die sich um 180 Grad um Berge herumschrauben. Und trotz dem Fahrer, der mitten waehrend der Fahrt anhielt, mit einer Taschenlampe um den Bus ging und alle Reifen beleuchtete, ohne uns zu sagen, warum er das tat.


Alle, die mir bisher von Machu Picchu berichtet hatten, behielten Recht: aehnlich wie mit dem Ayers Rock in Australien ist es so, dass man etwas fuehlt, wenn man hier her kommt. Man sieht nicht nur, man fuehlt es. Und dieses Gefuehl laesst sich nicht transportieren oder nachahmen: wenn ihr also mal in Suedamerika seid, JA, MACHU PICCHU muss besucht werden...


But the journey goes on...:

Nachdem ich mich nun einen Tag bei angenehmer Sonne in Cusco ausgeruht habe, geht es heute Abend weiter. Von Cusco fahre ich per Nachtbus nach Nazca an der Pazifikkueste. Zum ersten Mal seit Anfang November werde ich endlich das Meer wieder sehen, aber dieses Mal auf der anderen Seite. Rund um Nazca wartet die Islas Bellastas mit frei lebenden Seeloewen sowie die hoechsten Sandduenen der Welt von Huacachina auf mich, die ins Meer hineinstuerzen. Ausserdem die Nazca-Linien, welche ich ebenfalls besuchen will. Damit verlasse ich heute Abend nach fast zwei Monaten die zentralen Anden und es wird endlich wieder richtig warm, angeblich sind es heute 30 Grad in Nazca. Vom Pazifik melde ich mich dann sandboardend und hoffentlich wieder komplett gesund zurueck.



Euch einen guten Start ins "normale Leben" nach den Feiertagen...

Hasta luege

1 Kommentar:

  1. Wow, die fotos u deine berichte machen unheimlich fernweh.

    Und ich versteh gar nicht, das du so krank warst. Siehst immer noch tooooll aus. :-P

    weiter viel spass, bianca

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