Montag, 20. Februar 2012

Patagonien III - Torres del Paine (Chile)


oben: Das "W" im Nationalpark auf der Wanderkarte (in gruen)



















































Gleich geht es weiter, denn dort steht ne Leiter...

















rechts: ein Condor am fruehen Morgen

























































Am Mittwoch fuhren Fabian und ich mit dem Bus wieder weiter nach Sueden, und wieder hinein nach Chile. Dann wurde es in Puerto Natales gleich hektisch. Wir hatten nur 45 Minuten Zeit, eine Isomatte fuer mich zu leihen, unsere grossen Rucksaecke zu entruempeln und unwichtige Sachen wie Buecher in der Stadt zu lassen, damit sie fuer die Wanderung nicht zu schwer waren; Lebensmittel fuer die Wildnis einkaufen und schliesslich ein Busticket zum Nationalpark Torres del Paine besorgen. Auf die Minute erwischten wir durch geschickte Arbeitsteilung gerade noch den Shuttle-Bus zum Nationalpark. Glueck gehabt.


Dann ueberlegten wir im Bus, wie es ueberhaupt weitergehen sollte. Die Wanderwege rund um die Torres del Paine (Tuerme des Schmerzes) erstrecken sich insgesamt ueber mehr als dreihundert Kilometer. Wir wuerden aber nur bis Samstagabend Zeit haben, also drei Tage und die paar Stunden an diesem Mittwoch. Also einigten wir uns darauf, im Suedwesten der Berge loszuwandern, und dann das sogenannte "W" zu gehen. Links an den Bergen bis zum Gletscher 'Glaciar Grey'. Dann zurueck, am Freitag in die Mitte des Ws und am Samstag noch die rechte Flanke. Haetten wir gewusst, wieviel Marschieren mit Gepaeck wir uns da vornehmen, ich weiss nicht ob wir dann genauso geplant haetten.



Jedenfalls ging es zunaechst am Mittwoch, nachdem uns der Bus durch die flache Ebene vor den Bergen, bewohnt von den Lama-aehnlichen Guanacos, an einem Punkt in der Pampa abgesetzt hatte, motiviert hinein in die Wildnis. Nach einer Stunde passierten wir einen hier vor sich hinvegetierenden gelben Bus. Vom Dach aus erspaehten wir die Route, die nun drei Tage lang zu bewaeltigen war. Kurz nach Weihnachten hatte es durch einen unaufmerksamen Wanderer ein Grossfeuer gegeben. Die verheerenden Folgen sahen wir nun: verbrannte Flaechen, kilometerweit. Teilweise kamen wir uns vor wie zwei Hobbits auf dem Weg nach Mordor... Noch bis neun Uhr abends schritten wir ueber die noch flache Ebene weiter, bis wir eine Campingstelle mit einem aus Wellblech gebauten Schutzdach erreichten. Ausser uns keine Seele zu sehen. Warm eingepackt also die erste Nacht im kleinen Zwei-Mann Zelt. Durch das Dach waren wir vor dem eiskalten Wind und dem Regen, der mitten in der Nacht einsetzte, geschuetzt. Tagsueber waren es etwa acht Grad, nachts Minus 1. Suedpatagonische Hochsommer-Temperaturen. Aber wir schliefen gut.


Der Donnerstag fuehrte uns dann hoeher und hoeher, die linke Flanke des Ws entlang. Wir stiegen ueber wackelige Haengebruecken und steile Alpinleitern hinauf und hinab. Dann erreichten wir den Grey-Gletscher. Vom harten patagonischen Wind fast vom Fleck weg umgeweht, sahen wir von der Seite auf und in das Eis. Die Dimensionen waren unfassbar, noch unglaublicher als der argentinische Gletscher nur zwei Tage zuvor. Abends wurde es sehr kalt und wir lagen bereits gegen neun Uhr im Zelt, denn der Freitag sollte der laengste Abschnitt unseres Trips werden.



Um viertel nach sechs, mit kalten Fuessen und vollem Gepaeck marschierten wir am naechsten Morgen los. Nach etwa einer Stunde schwebte ein Condor an uns vorueber. Ein See spiegelte die Wolken und die aufgehende Morgensonne. Wir sollten wieder Glueck mit dem Wetter haben. Wegen Fabians Herkunft stand fuer uns beiden von nun an fest: Petrus muss ein Bayer sein. Nach drei Stunden war der Zacken vom W erreicht. Als Fruehstueck staerkte uns ein Gemisch aus Muesli, Haferflocken und Aepfeln. Kraft wuerden wir noch brauchen. Als wir abends um acht Uhr unser naechstes Camp erreichten, merkten wir erst beim Studium der Wanderkarten, das wir fast 40 Kilometer zurueck gelegt hatten. An einem Tag! Aber das Panorama im Mittelscheitel des W war so ueberwaeltigend, das jeder Schritt extra motiviert und schliesslich belohnt wurde. Und doch gab es abends, kurz vor dem Erreichen des Ziels ein absolutes Tief. Mein Koerper war schlicht und einfach aufgebraucht. Wir hatten schliesslich viele Hoehenmeter auf alpinen Wanderwegen ueberwunden. Das ist etwas anderes als ein Stadtspaziergang. Ich konnte einfach nicht mehr. Aber ich wollte noch. Und irgendwie kamen wir also doch zum Ziel. Das Abendessen, welches wir auf dem Campingkocher eines amerikanischen Paerchens kochten, war sehr widerlich (eine Nudelpampe mit Fertigsauce). Aber bei dem Hunger haetten wir wohl alles zu uns genommen, Hauptsache es war heiss.


Der Samstag sollt dann bereits unser letzter Wandertag werden. Nochmals gingen wir fuer insgesamt elf Stunden. Wir schafften es an der rechten Flanke, das W zu vollenden. Oben, kurz vor den drei Felsnadeln, die dem Nationalpark seinen Namen geben, ging es fuer 45 Minuten extrem steil bergauf. Nochmals auf fast 1000 Meter, und das von der Pampa aus. Aber wir besiegten die schmerzenden Waden und den schwindelnden Kopf. Um Punkt halb drei sassen wir am Fuss der drei Torres, und unser Wetterglueck grenzte nun wirklich an Unverschaemtheit. An etwa 300 Tagen im Jahr sind die Felsen kaum oder gar nicht zu Sehen. Die Wolken oder Nebel verschleiern sie so gut wie jeden Tag. Jeder Traveller, der mir in den letzten Monaten von Torres del Paine berichtete, beklagte die schlechte Sicht hier oben. Teilweise erzaehlten sie von Schnee.

Aber heute war eben nicht wie jeder Tag. Die Torres lagen zum Greifen nah unter einer hell scheinenden Sonne und einem azurblauen Himmel vor uns. Das Video in der Mitte unten zeigt besonders auch durch die gute Laune, weil wir uns durchaus bewusst waren, welche Strapazen wir in Kauf genommen hatten um hochzukommen.
Beim Abstieg sagte auch Fabian, der zwei Jahre weniger mitzuschleppen hatte und in der Abizeit im Gegensatz zu mir nicht nur rumsass, sondern den Sport LK belegte: "Du, ich kann nicht mehr." Wir fuhren vom Nationalpark abends zurueck nach Puerto Natales. Als wir um halb elf abends in einem netten Fischrestaurant Pisco Sour und Wein tranken sowie den Fisch assen, haetten wir beide auf der Stelle einschlafen koennen.

Aber eben weil wir so im Arsch waren und uns wegen der grandiosen Umgebung an die Grenzen getrieben hatten, schmeckte das Essen besonders gut. Und in der einen Woche, die wir nun mehr oder weniger dauernd gemeinsam unterwegs waren, davon groesstenteils zu Fuss durch die Wildnis Patagoniens, hatten wir auch uns besser kennengelernt, als es normalerweise in der gleichen Zeit in einem Hostel oder waehrend eines Stadtaufenthaltes moeglich ist.
Am Sonntagmorgen wachte ich mit Muskelkater, dafuer aber sehr zufrieden auf. Torres del Paine war bezwungen. In drei Tagen und einem Abend waren wir genau 97 Kilometer gewandert, davon die meiste Zeit mit Gepaeck. Eigentlich unglaublich, war ich doch mit meiner Kleidung gar nicht passend dafuer ausgestattet.



Aber der Schutzengel bleibt in Patagonien bei mir. Es wurde auch langsam wieder Zeit...
Am Sonntag fuhren wir nochmals zu zweit los. In Richtung Sueden, naturalemente. Punta Arenas, Chiles letzter Bastion vor Feuerland. Direkt an der Magellanstrasse gelegen. Je naeher ich an den suedlichsten Punkt meiner Reie komme, desto mehr driftet mein Kopf schon vorweg nach Hause. Als ob das Unterbewusstsein spuert, das dieser Teil des Lebens bald vorbei geht und den Blick schon wieder fuer den Alltag schaerfen will. Der Kopf ist noch hier, aber der Hinterkopf geht mir immer fuenf Schritte voraus. Und das war schon von Beginn an immer so gewesen, vielleicht braucht man diesen Mechanismus auch, um nicht von der hiesigen und bald wieder dortigen Realitaet ueberrumpelt zu werden.
Ich weiss nicht genau, was mich erwartet. Ich merke nur sehr deutlich, das Ziel rueckt nun ganz nah. Ushuaia auf Feuerland, am Ende der Welt...


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