Sonntag, 26. Februar 2012

Am Ende der Welt (Tierra del Fuego, Arg u Chi)









































































































"Das ist doch nicht das Ende der Welt", sagen Leute gern, wenn es uns beschissen geht. In Ushuaia auf Feuerland werden die Menschen diesen Satz bestimmt so oder so aehnlich auch zu hoeren bekommen. Nur das sie dann trotzig und noelig antworten koennen: "Pff, wohl, ist es."




Viel kommt nicht mehr weiter suedlich. Die von Schafen belebte Isla Navarino und das auch nach Jahrhunderten immer noch fuer seine sturmgetuermten Wellen bekannte Kap Hoorn. Dann Wasser fuer 900 Kilometer. Und dann beginnt die Antarktis.




Bevor ich am Mittwochabend hier ankam, hatte ich schon einiges erlebt. Am Dienstag war ich per Touristenschiff im chilenischen Abschnitt der Magellan Strasse auf die Isla Magdalena gefahren. Dort brueten jeden Sommer etwa 60.000 Magellan-Pinguine ihre Jungen aus. Es war toll, so viele freie Pinguine zu Sehen. Aber der Nachteil: die Insel gehoert zu einer der stuermischsten rund um Feuerland. Nur eine Stunde verbrachte ich bei den Tieren, aber die reichte um nochmals so richtig durchzufrieren. Als ob Torres del Paine in den Morgenstunden dafuer nicht gereicht hat.



Die Ankunft in Ushuaia am Mittwochabend zeigte mir sofort, wie der Hase laeuft. "Ok. Ihr wollt alle ans Ende der Welt? Na gut, dann muesst ihr aber auch dafuer bezahlen." Die Preise in Ushuaia toppen sogar Chile. Mein Sechsbett-Dorm im Hostel kostete fast 20 € pro Nacht. Mein Abendessen und das Bier im "Tante Sara" waren ebenfalls ueberteuert. Aber wenigstens las sich das Tischtuch mit Schmunzeln. "It`s the end of the world, so enjoy yourself." Clever.




Am Donnerstag lernte ich dann den rauhen Charme Feuerlands besser kennen. Es ist Spaetsommer, rein rechnerisch entspricht Ende Februar hier unserem spaeten August. Und ich sah aus dem Fenster. Schneeregen. Und 6 Grad. Der Winter in der Naehe zur Antarktis muss also erst Recht nichts fuer Warmduscher sein. Am Hafen tuermten sich Container auf, viele davon mit dem bekannten Schriftzug "Hamburg Sued". Und von hier starten auch die Schiffe zur Antarktis. Die guenstigste Route, fuer eine Zehn-Tages-Tour, kostet 3000 US-$. Nichts fuer meine leer gefegten Taschen.




Meine Idee war, die hiesige Wildnis von einem Hundeschlitten aus kennenzulernen. Einige Einwanderer aus Alaska und Kanada brachten erstmals vor etwa fuenfzig Jahren ihre Huskies mit nach Ushuaia. Inzwischen ist die Region rund um die Stadt die populaerste Hunderennstrecke Suedamerikas. Nur dafuer reicht Schneeregen eben doch nicht aus. Die Moeglichkeit, mitzufahren, gibt es nur im Winter, ab Mai. Also besuchte ich nur so die Hunde. Kraeftige Tiere, alle mit zwei unterschiedliche Augenfarben. Die schoenste Huskiedame taufte ich Maja (es gibt da so einen Film, der jemanden zu Traenen geruehrt hat...).




Was tat ich also am Ende der Welt? Ich trank viel heissen Kaffee und viel heisse Schokolade. Ich sprach viel mit Reisenden, die das Erlebnis Antarktis hinter sich hatten. Ich wanderte durch den Nationalpark "Tierra del Fuego". Ich schlief endlich wieder aus. Aber ich bereitete auch den weiteren Weg vor. Jetzt, wo ich das endgueltige Ziel erreicht hatte fuehlte ich mich irgendwie leer. Im Grunde war das Ziel und damit das Ende erreicht. Also im wahrsten Sinne des Wortes "Fin del Mundo".




Aber das durfte nun ja auch nicht sein. Ich war fuenf Monate und bereits 16.000 Kilometer unterwegs gewesen, seit ich in Buenos Aires auf das Schiff stieg. Kurz alles durch den Kopf gehen lassen.Schliesslich fuehlte ich mich stolz. Mit nicht vorhandenem Spanisch, keiner Menschenseele die ich hier kannte, mit einem angebrannten Fuss, mit Malaria Quartana, mit abwechselnden Heimweh und Reisefieber-Attacken, mit all dem (und noch manchem mehr) und einem verhaeltnismaessig knappen Budget hatte ich es bis hier her geschafft. Bis ans Ende der Welt, zum suedlichsten Punkt des amerikaniachen Kontinents und der suedlichsten dauerhaft belebten Stadt der Erde.





Ausserdem ist jedes Ende auch ein Stueck Anfang, ob es uns passt oder nicht.Und ein Blick auf die Landkarte zeigte, das nicht viel Zeit blieb, das Ende zu feiern oder zu verfluchen. Denn Argentinien ist nunmal gross. Irgendwie musste ich nun wieder nach Buenos Aires, ganze 3.500 Kilometer weiter noerdlich, kommen.Als ich am Samstagmorgen um fuenf im Bus sass, der mich und viele andere das erste Teilstueck, 12 Stunden lang, bis nach Rio Gallegos an der Atlantikkueste fahren wuerde, verfluchte ich meine Entscheidung, den langen Rueckweg in Richtung Heimat mit Bussen, und nicht mit einem Inlandsflug zu beginnen. Als wir mittags mit der Faehre die Magellan-Strasse ueberquerten und das Festland Patagoniens wieder fast erreicht war, verflog diese Reue aber von einem Moment auf den anderen. Ein Arktis-Delfin, schwarz-weiss gefleckt wie ein Wal, sprang neben der Faehre auf und ab. Ein Abschiedsgruss an mich, jedenfalls redete ich mir das ganz doll ein...





Aus dem Fenster zog spaeter die patagonische Pampa mit ihrem gelben Gras und den Schafherden an uns vorueber. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten ging es nicht mehr Richtung Sueden. Sondern nach Hause. Ganz langsam zwar, aber immerhin...









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