Freitag, 16. März 2012

Von der Heimat








Es ist merkwürdig nach so langer Zeit zurück zu sein und zu spüren, wie wenig sich alles hier und wenig man sich selbst verändert hat.

Aber die Momente bleiben eben doch übrig. Vielleicht werden sie mir sogar helfen, wer weiß? Wenn irgend ein verbitterter Personalchef glaubt, mich durch Wartenlassen oder spröden Befehlston unter Druck zu setzen. Ich werde folgen, aber denken: "Lach du nur, du Arsch. Ich habe eine 30 Stunden Busfahrt von Paraguay hinein nach Bolivien hinter mir, habe die Malaria überstanden und im Alleingang 18 000 Kilometer auf fremden Boden zurück gelegt. Wenn du mich kleiner machen willst, musst du dir schon ein wenig mehr einfallen lassen..."

Weiter nach Hamburg. Aber die nächste Reise kommt bestimmt. Und dann melde ich mich auch hier wieder zu Wort....

Samstag, 3. März 2012

Adios a Buenos Aires!









































































Ich unterbrach meine lange Bus Odyssee im Osten Patagoniens am Sonntag fuer einen Abend in Puerto Madryn. Und das entpuppte sich als Glueck, weil ich mit netten Leuten aus Daenemark,Deutschland und Frankreich einen entspannten, aber schoenen Abend hatte. Gekroent durch ein Feuerwerk am Strand um Mitternacht, mit welchem Argentinien den Geburtstag seiner blau-weiss gestreiften Nationalflagge feierte. Und ich sah dank den wenigen Lichtern ein vorerst letztes Mal das Southern Cross am klaren Sternenhimmel.

Aber am Montagnachmittag ging es nochmals weiter. Eine letzte sehr lange, 18 Stunden Busfahrt. Zurueck in die 13 Mio-Hauptstadt Buenos Aires, wo ich im Oktober mit Aufregung und grossem Respekt an der Avenue 9 de Julio aus dem Taxi gestiegen war.

Und nun? Nun stieg ich aus dem Bus in ein Taxi und fuhr nach Palermo, dem Szeneviertel wie es heisst. Ich sage eher es ist das Viertel der oberen Mittelschicht. Oder der Yuppies. Viele Bars und Cafes und Baeume. Und an meinem ersten Abend am Dienstag tat ich noch etwas Gutes. Im Hostel sass Kathrin, 20 Jahre jung. Sie skypte grad mit ihrer Familie, war erst vor drei Std gelandet. Fuer ein Semester in BA, und vollkommen ueberfordert. Also fragte ich sie, ob sie mit mir durchs Viertel gehen wolle, sobald sie nicht mehr so sehr weinte. Und zusammen schauten wir uns abends also noch um, ich bekam mein naechstes Steak. Und sie vergass fuer zwei Stunden ihr Heimweh und ihre Panik.

Den Rest der Zeit versuchte ich, moeglichst im Hier und Jetzt in dieser aufregenden Stadt zu sein. Was schwer fiel, da mehr die letzten und die naechsten Monate als die jetzigen Momente durch den Kopf schwirrten. Aber ich sah mir noch mal viel an. Und erlebte viel. Den Tango. Die Kunst. Das Chaos auf den Strassen von dieser unfassbaren Metropole, die eine komische Verschmelzung bildet: Hochhaeuser und Business wie New York, Architektur wie Paris, Parks wie London und ein Nachtleben, das vielleicht gar keine andere Stadt der Welt toppen kann. Die Portenos essen selten vor neun Uhr zu Abend. Meistens eher ab zehn. Ab Mitternacht gibt es einen Drink in einer Bar. Die Clubs oeffnen um eins, fuellen sich erst ab zwei Uhr so richtig. Und keine Sperrstunde, um sieben sieht man Massen nach Hause laufen. So ist das hier. Ich sprach nochmals mit Leuten aus aller Welt. Und tanzte. Und trank hervorragende Mojitos und Margaritas.

Aber heute Abend ist mein vorletzter Abend in Suedamerika. Denn Montagnachmittag startet mein Flug nach Deutschland. Ich sitze am Wasser des kleinen Hafengebiets vor dem Rio de la Plata. Neben mir raufen zwei Hunde. Eine schmalzige Gitarre klingt vom Ufer gegenueber herueber. Die Portenos und Portenas schlendern an mir vorbei. Viele joggen aber auch. Oder rollerbladen. Hauptsache sie werden dabei gesehen. Alle Augen sind auf andere Augen gerichtet. Es ist immer noch sehr warm, halb neun am Abend. Und es sind 27 Grad.

Meine Fuesse haengen ueber dem kleinen Becken des Yachthafens und mein Blick schweift ueber das Wasser. So viele Lichter vor mir. Und so viel Krach. Aber ich schliesse mal kurz die Augen. Und ich halte die Luft an und zaehle bis zehn. . .

Wofuer war das eigentlich alles, all die 142 Tage? Die insgesamt fast 18 Tausend Kilometer auf diesem Kontinent in Bussen, im Flugzeug, in Autos, im Zug, auf LKW-Ladeflaechen, zu Fuss und auf Schiffen? Die vielen tollen Menschen, die ich treffen konnte und von denen ich hoffe einige auch in der Heimat noch zu kennen? Was bleibt aus all dem?




Ich habe hier viele Momente erlebt, die ich nie vergessen werde. Nie. Und dafuer bin ich dankbar.



Diese Momente sind in ganz unterschiedliche Kategorien aufgeteilt. Und Momente muessen nicht unbedingt schoen sein, um unvergesslich zu bleiben...



Der vorbeirasende Bus mit offener Tuer und dem rauchenden Fahrer am Steuer an meinem ersten Tag in Buenos Aires. Der erste freie Blick auf den Sternenhimmel in Punta del Diablo. Das Rauschen und die Gischt der Iguazu Wasserfaelle. Meine Verwunderung beim Raustreten eines Supermarktes in Asuncion (Paraguay), was sich da im Muellcontainer bewegt und mein Schreck, als es zwei Jungs um die acht Jahre alt sind, die Essen suchen. Vor dem Container Kakerlaken, die das Gleiche tun.



Das irre Gefuehl, als kaltes Wasser nach 30 Stunden im Bus nach Bolivien meinen Ruecken runterspuelt. Die Geysire im Morgengrauen am Salar de Uyuni. Die Minuten im Dschungel, als wir nachts die Taschenlampen ausschalteten und alle und alles um uns zu leben und zu atmen schien, da niemand Menschliches mehr sichtbar war.



Die Tage im Bett in La Paz, mit mehr als 40 Grad Fieber und die Erleichterung, auf einem kleinen Bildschirm kurz ein vertrautes Gesicht zu Sehen, das mir helfen will. Das Ankommen am Gipfel des Canon del Colca nach zwei einhalb Stunden hartem Aufstieg, und wie die paar Leute, die schon oben waren, jubelten und mich die letzten Meter regelrecht hoch schrien. Das Lichten des Nebels um Machu Picchu und die Ruhe, die auf einmal alle um mich herum deswegen erfuellte.



Die Wueste in Chile. Das Herunterbrettern einer Sandduene in Peru, auf dem Bauch weil es zu schnell waere, um sich auf den Beinen zu halten. Das Abbrechen des Gletscherstuecks beim Poreto Moreno. Das Tanzen an Weihnachten zu den Mumford and Sons, spaet nachts - und Backpacker aus aller Welt singen lauthals: "And it was not your fault but mine, and it was your heart on the line." Das Marschieren im Sonnenaufgang rund um die Torres del Paine.



Und mehr. Und Meer. Und das Gefuehl wieder aufzutauchen, nachdem man schon unter Wasser war...




Ich glaube sagen zu Koennen, das es richtig war die Reise zu machen. Nochmals raus zu kommen und etwas von der Welt zu sehen. Einen der schoensten und gleichzeitig verstoerendsten Flecken der Welt, mit soviel Verschiedenem und so viel Leidenschaft. Bevor nun das naechste Kapitel kommt. Wie auch immer das aussieht.



Und falls mal nichts mehr gehen wird, oder ich mich dabei erwische, mich zu sehr in mir einzurichten: es findet sich bestimmt wieder ein Fleckchen Erde, der es wert ist sich dort zu zerstreuen...

Esta grande, el mundo.

Necessito de viajar. Esta difficile la vida. Pero esta muy linda.



Sonntag, 26. Februar 2012

Am Ende der Welt (Tierra del Fuego, Arg u Chi)









































































































"Das ist doch nicht das Ende der Welt", sagen Leute gern, wenn es uns beschissen geht. In Ushuaia auf Feuerland werden die Menschen diesen Satz bestimmt so oder so aehnlich auch zu hoeren bekommen. Nur das sie dann trotzig und noelig antworten koennen: "Pff, wohl, ist es."




Viel kommt nicht mehr weiter suedlich. Die von Schafen belebte Isla Navarino und das auch nach Jahrhunderten immer noch fuer seine sturmgetuermten Wellen bekannte Kap Hoorn. Dann Wasser fuer 900 Kilometer. Und dann beginnt die Antarktis.




Bevor ich am Mittwochabend hier ankam, hatte ich schon einiges erlebt. Am Dienstag war ich per Touristenschiff im chilenischen Abschnitt der Magellan Strasse auf die Isla Magdalena gefahren. Dort brueten jeden Sommer etwa 60.000 Magellan-Pinguine ihre Jungen aus. Es war toll, so viele freie Pinguine zu Sehen. Aber der Nachteil: die Insel gehoert zu einer der stuermischsten rund um Feuerland. Nur eine Stunde verbrachte ich bei den Tieren, aber die reichte um nochmals so richtig durchzufrieren. Als ob Torres del Paine in den Morgenstunden dafuer nicht gereicht hat.



Die Ankunft in Ushuaia am Mittwochabend zeigte mir sofort, wie der Hase laeuft. "Ok. Ihr wollt alle ans Ende der Welt? Na gut, dann muesst ihr aber auch dafuer bezahlen." Die Preise in Ushuaia toppen sogar Chile. Mein Sechsbett-Dorm im Hostel kostete fast 20 € pro Nacht. Mein Abendessen und das Bier im "Tante Sara" waren ebenfalls ueberteuert. Aber wenigstens las sich das Tischtuch mit Schmunzeln. "It`s the end of the world, so enjoy yourself." Clever.




Am Donnerstag lernte ich dann den rauhen Charme Feuerlands besser kennen. Es ist Spaetsommer, rein rechnerisch entspricht Ende Februar hier unserem spaeten August. Und ich sah aus dem Fenster. Schneeregen. Und 6 Grad. Der Winter in der Naehe zur Antarktis muss also erst Recht nichts fuer Warmduscher sein. Am Hafen tuermten sich Container auf, viele davon mit dem bekannten Schriftzug "Hamburg Sued". Und von hier starten auch die Schiffe zur Antarktis. Die guenstigste Route, fuer eine Zehn-Tages-Tour, kostet 3000 US-$. Nichts fuer meine leer gefegten Taschen.




Meine Idee war, die hiesige Wildnis von einem Hundeschlitten aus kennenzulernen. Einige Einwanderer aus Alaska und Kanada brachten erstmals vor etwa fuenfzig Jahren ihre Huskies mit nach Ushuaia. Inzwischen ist die Region rund um die Stadt die populaerste Hunderennstrecke Suedamerikas. Nur dafuer reicht Schneeregen eben doch nicht aus. Die Moeglichkeit, mitzufahren, gibt es nur im Winter, ab Mai. Also besuchte ich nur so die Hunde. Kraeftige Tiere, alle mit zwei unterschiedliche Augenfarben. Die schoenste Huskiedame taufte ich Maja (es gibt da so einen Film, der jemanden zu Traenen geruehrt hat...).




Was tat ich also am Ende der Welt? Ich trank viel heissen Kaffee und viel heisse Schokolade. Ich sprach viel mit Reisenden, die das Erlebnis Antarktis hinter sich hatten. Ich wanderte durch den Nationalpark "Tierra del Fuego". Ich schlief endlich wieder aus. Aber ich bereitete auch den weiteren Weg vor. Jetzt, wo ich das endgueltige Ziel erreicht hatte fuehlte ich mich irgendwie leer. Im Grunde war das Ziel und damit das Ende erreicht. Also im wahrsten Sinne des Wortes "Fin del Mundo".




Aber das durfte nun ja auch nicht sein. Ich war fuenf Monate und bereits 16.000 Kilometer unterwegs gewesen, seit ich in Buenos Aires auf das Schiff stieg. Kurz alles durch den Kopf gehen lassen.Schliesslich fuehlte ich mich stolz. Mit nicht vorhandenem Spanisch, keiner Menschenseele die ich hier kannte, mit einem angebrannten Fuss, mit Malaria Quartana, mit abwechselnden Heimweh und Reisefieber-Attacken, mit all dem (und noch manchem mehr) und einem verhaeltnismaessig knappen Budget hatte ich es bis hier her geschafft. Bis ans Ende der Welt, zum suedlichsten Punkt des amerikaniachen Kontinents und der suedlichsten dauerhaft belebten Stadt der Erde.





Ausserdem ist jedes Ende auch ein Stueck Anfang, ob es uns passt oder nicht.Und ein Blick auf die Landkarte zeigte, das nicht viel Zeit blieb, das Ende zu feiern oder zu verfluchen. Denn Argentinien ist nunmal gross. Irgendwie musste ich nun wieder nach Buenos Aires, ganze 3.500 Kilometer weiter noerdlich, kommen.Als ich am Samstagmorgen um fuenf im Bus sass, der mich und viele andere das erste Teilstueck, 12 Stunden lang, bis nach Rio Gallegos an der Atlantikkueste fahren wuerde, verfluchte ich meine Entscheidung, den langen Rueckweg in Richtung Heimat mit Bussen, und nicht mit einem Inlandsflug zu beginnen. Als wir mittags mit der Faehre die Magellan-Strasse ueberquerten und das Festland Patagoniens wieder fast erreicht war, verflog diese Reue aber von einem Moment auf den anderen. Ein Arktis-Delfin, schwarz-weiss gefleckt wie ein Wal, sprang neben der Faehre auf und ab. Ein Abschiedsgruss an mich, jedenfalls redete ich mir das ganz doll ein...





Aus dem Fenster zog spaeter die patagonische Pampa mit ihrem gelben Gras und den Schafherden an uns vorueber. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten ging es nicht mehr Richtung Sueden. Sondern nach Hause. Ganz langsam zwar, aber immerhin...









Montag, 20. Februar 2012

Patagonien III - Torres del Paine (Chile)


oben: Das "W" im Nationalpark auf der Wanderkarte (in gruen)



















































Gleich geht es weiter, denn dort steht ne Leiter...

















rechts: ein Condor am fruehen Morgen

























































Am Mittwoch fuhren Fabian und ich mit dem Bus wieder weiter nach Sueden, und wieder hinein nach Chile. Dann wurde es in Puerto Natales gleich hektisch. Wir hatten nur 45 Minuten Zeit, eine Isomatte fuer mich zu leihen, unsere grossen Rucksaecke zu entruempeln und unwichtige Sachen wie Buecher in der Stadt zu lassen, damit sie fuer die Wanderung nicht zu schwer waren; Lebensmittel fuer die Wildnis einkaufen und schliesslich ein Busticket zum Nationalpark Torres del Paine besorgen. Auf die Minute erwischten wir durch geschickte Arbeitsteilung gerade noch den Shuttle-Bus zum Nationalpark. Glueck gehabt.


Dann ueberlegten wir im Bus, wie es ueberhaupt weitergehen sollte. Die Wanderwege rund um die Torres del Paine (Tuerme des Schmerzes) erstrecken sich insgesamt ueber mehr als dreihundert Kilometer. Wir wuerden aber nur bis Samstagabend Zeit haben, also drei Tage und die paar Stunden an diesem Mittwoch. Also einigten wir uns darauf, im Suedwesten der Berge loszuwandern, und dann das sogenannte "W" zu gehen. Links an den Bergen bis zum Gletscher 'Glaciar Grey'. Dann zurueck, am Freitag in die Mitte des Ws und am Samstag noch die rechte Flanke. Haetten wir gewusst, wieviel Marschieren mit Gepaeck wir uns da vornehmen, ich weiss nicht ob wir dann genauso geplant haetten.



Jedenfalls ging es zunaechst am Mittwoch, nachdem uns der Bus durch die flache Ebene vor den Bergen, bewohnt von den Lama-aehnlichen Guanacos, an einem Punkt in der Pampa abgesetzt hatte, motiviert hinein in die Wildnis. Nach einer Stunde passierten wir einen hier vor sich hinvegetierenden gelben Bus. Vom Dach aus erspaehten wir die Route, die nun drei Tage lang zu bewaeltigen war. Kurz nach Weihnachten hatte es durch einen unaufmerksamen Wanderer ein Grossfeuer gegeben. Die verheerenden Folgen sahen wir nun: verbrannte Flaechen, kilometerweit. Teilweise kamen wir uns vor wie zwei Hobbits auf dem Weg nach Mordor... Noch bis neun Uhr abends schritten wir ueber die noch flache Ebene weiter, bis wir eine Campingstelle mit einem aus Wellblech gebauten Schutzdach erreichten. Ausser uns keine Seele zu sehen. Warm eingepackt also die erste Nacht im kleinen Zwei-Mann Zelt. Durch das Dach waren wir vor dem eiskalten Wind und dem Regen, der mitten in der Nacht einsetzte, geschuetzt. Tagsueber waren es etwa acht Grad, nachts Minus 1. Suedpatagonische Hochsommer-Temperaturen. Aber wir schliefen gut.


Der Donnerstag fuehrte uns dann hoeher und hoeher, die linke Flanke des Ws entlang. Wir stiegen ueber wackelige Haengebruecken und steile Alpinleitern hinauf und hinab. Dann erreichten wir den Grey-Gletscher. Vom harten patagonischen Wind fast vom Fleck weg umgeweht, sahen wir von der Seite auf und in das Eis. Die Dimensionen waren unfassbar, noch unglaublicher als der argentinische Gletscher nur zwei Tage zuvor. Abends wurde es sehr kalt und wir lagen bereits gegen neun Uhr im Zelt, denn der Freitag sollte der laengste Abschnitt unseres Trips werden.



Um viertel nach sechs, mit kalten Fuessen und vollem Gepaeck marschierten wir am naechsten Morgen los. Nach etwa einer Stunde schwebte ein Condor an uns vorueber. Ein See spiegelte die Wolken und die aufgehende Morgensonne. Wir sollten wieder Glueck mit dem Wetter haben. Wegen Fabians Herkunft stand fuer uns beiden von nun an fest: Petrus muss ein Bayer sein. Nach drei Stunden war der Zacken vom W erreicht. Als Fruehstueck staerkte uns ein Gemisch aus Muesli, Haferflocken und Aepfeln. Kraft wuerden wir noch brauchen. Als wir abends um acht Uhr unser naechstes Camp erreichten, merkten wir erst beim Studium der Wanderkarten, das wir fast 40 Kilometer zurueck gelegt hatten. An einem Tag! Aber das Panorama im Mittelscheitel des W war so ueberwaeltigend, das jeder Schritt extra motiviert und schliesslich belohnt wurde. Und doch gab es abends, kurz vor dem Erreichen des Ziels ein absolutes Tief. Mein Koerper war schlicht und einfach aufgebraucht. Wir hatten schliesslich viele Hoehenmeter auf alpinen Wanderwegen ueberwunden. Das ist etwas anderes als ein Stadtspaziergang. Ich konnte einfach nicht mehr. Aber ich wollte noch. Und irgendwie kamen wir also doch zum Ziel. Das Abendessen, welches wir auf dem Campingkocher eines amerikanischen Paerchens kochten, war sehr widerlich (eine Nudelpampe mit Fertigsauce). Aber bei dem Hunger haetten wir wohl alles zu uns genommen, Hauptsache es war heiss.


Der Samstag sollt dann bereits unser letzter Wandertag werden. Nochmals gingen wir fuer insgesamt elf Stunden. Wir schafften es an der rechten Flanke, das W zu vollenden. Oben, kurz vor den drei Felsnadeln, die dem Nationalpark seinen Namen geben, ging es fuer 45 Minuten extrem steil bergauf. Nochmals auf fast 1000 Meter, und das von der Pampa aus. Aber wir besiegten die schmerzenden Waden und den schwindelnden Kopf. Um Punkt halb drei sassen wir am Fuss der drei Torres, und unser Wetterglueck grenzte nun wirklich an Unverschaemtheit. An etwa 300 Tagen im Jahr sind die Felsen kaum oder gar nicht zu Sehen. Die Wolken oder Nebel verschleiern sie so gut wie jeden Tag. Jeder Traveller, der mir in den letzten Monaten von Torres del Paine berichtete, beklagte die schlechte Sicht hier oben. Teilweise erzaehlten sie von Schnee.

Aber heute war eben nicht wie jeder Tag. Die Torres lagen zum Greifen nah unter einer hell scheinenden Sonne und einem azurblauen Himmel vor uns. Das Video in der Mitte unten zeigt besonders auch durch die gute Laune, weil wir uns durchaus bewusst waren, welche Strapazen wir in Kauf genommen hatten um hochzukommen.
Beim Abstieg sagte auch Fabian, der zwei Jahre weniger mitzuschleppen hatte und in der Abizeit im Gegensatz zu mir nicht nur rumsass, sondern den Sport LK belegte: "Du, ich kann nicht mehr." Wir fuhren vom Nationalpark abends zurueck nach Puerto Natales. Als wir um halb elf abends in einem netten Fischrestaurant Pisco Sour und Wein tranken sowie den Fisch assen, haetten wir beide auf der Stelle einschlafen koennen.

Aber eben weil wir so im Arsch waren und uns wegen der grandiosen Umgebung an die Grenzen getrieben hatten, schmeckte das Essen besonders gut. Und in der einen Woche, die wir nun mehr oder weniger dauernd gemeinsam unterwegs waren, davon groesstenteils zu Fuss durch die Wildnis Patagoniens, hatten wir auch uns besser kennengelernt, als es normalerweise in der gleichen Zeit in einem Hostel oder waehrend eines Stadtaufenthaltes moeglich ist.
Am Sonntagmorgen wachte ich mit Muskelkater, dafuer aber sehr zufrieden auf. Torres del Paine war bezwungen. In drei Tagen und einem Abend waren wir genau 97 Kilometer gewandert, davon die meiste Zeit mit Gepaeck. Eigentlich unglaublich, war ich doch mit meiner Kleidung gar nicht passend dafuer ausgestattet.



Aber der Schutzengel bleibt in Patagonien bei mir. Es wurde auch langsam wieder Zeit...
Am Sonntag fuhren wir nochmals zu zweit los. In Richtung Sueden, naturalemente. Punta Arenas, Chiles letzter Bastion vor Feuerland. Direkt an der Magellanstrasse gelegen. Je naeher ich an den suedlichsten Punkt meiner Reie komme, desto mehr driftet mein Kopf schon vorweg nach Hause. Als ob das Unterbewusstsein spuert, das dieser Teil des Lebens bald vorbei geht und den Blick schon wieder fuer den Alltag schaerfen will. Der Kopf ist noch hier, aber der Hinterkopf geht mir immer fuenf Schritte voraus. Und das war schon von Beginn an immer so gewesen, vielleicht braucht man diesen Mechanismus auch, um nicht von der hiesigen und bald wieder dortigen Realitaet ueberrumpelt zu werden.
Ich weiss nicht genau, was mich erwartet. Ich merke nur sehr deutlich, das Ziel rueckt nun ganz nah. Ushuaia auf Feuerland, am Ende der Welt...